Den Klimawandel leugnen in Deutschland nur noch wenige. Stattdessen wird bei Klima-Desinformation vor allem auf die Verzögerung von notwendigen Klimaschutzmaßnahmen gesetzt.
"Top Wissenschaftlerin lässt Bombe platzen: Überwältigender Konsens ist, dass die Klimakrise erfunden ist", "Natur entlarvt Klima-Schwindel" oder der "Klimaschwindel" ist "ein Betrug, ein Ablasshandel, ein Vorwand uns zu berauben und in die die sozialistische Sklaverei zu führen". All dies sind Aussagen aus aktuellen Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst X.
Unter den Hashtags #Klimaschwindel und #ClimateScam finden sich derzeit zahlreiche Beiträge, die den Klimawandel relativieren, in Frage stellen oder gar leugnen. Rund um die UN-Klimakonferenz in Dubai scheint es einen Anstieg derartiger Beiträge gegeben zu haben. Sie stehen im absoluten Widerspruch mit der Klimawissenschaft, denn dass der gegenwärtige Klimawandel fast ausschließlich auf anthropogene Faktoren zurückzuführen ist, gilt als weitgehender wissenschaftlicher Konsens.
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Der Erfolg des Hashtags #ClimateScam lässt sich allerdings laut CAAD auf eine kleine Gruppe von Accounts zurückführen, welche den Hashtag regelmäßig verwenden und Tausende von Likes und Retweets für ihre Inhalte erhalten. Das kann auch Toralf Staud, Fachjournalist beim Wissensportal klimafakten.de, bestätigen: "Die harten Leugner sind inzwischen eine winzig kleine Randgruppe."
Fälle klassischer Leugnungen des menschengemachten Klimawandels seien hierzulande inzwischen ziemlich selten geworden. Sie würden jedoch vor Ereignissen wie der Klimakonferenz lauter werden, um größer zu erscheinen und mögliche Beschlüsse zu beeinflussen. Ein Großteil der Menschen in Deutschland wisse jedoch, dass der Klimawandel ein großes Problem sei und fordere daher auch Klimaschutzmaßnahmen von der Regierung, so Staud.
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Zentrale Behauptungen gegen den Klimawandel
Doch die Verbreitung von Fehl- und Desinformation über den Klimawandel umfasst deutlich mehr Argumentationsmuster und Strategien als die reine Leugnung. In dem Paper "Computergestützte Erkennung und Klassifizierung von Fehlinformationen über den Klimawandel" werden folgende fünf zentrale Behauptungen aufgelistet: "Die globale Erderwärmung findet nicht statt", "Die menschlichen Treibhausgase verursachen keine globale Erwärmung", "Die Auswirkungen des Klimas sind nicht schlimm", "Klimalösungen funktionieren nicht" und "Die Klimabewegung/Wissenschaft ist unzuverlässig".
Dabei werden häufig folgende rhetorische Tricks angewendet: der Einsatz von Pseudo-Experten, die Verwendung logischer Fehlschlüsse, das Schüren unerfüllbarer Erwartungen, Rosinenpickerei sowie die Verbreitung von Verschwörungsmythen.
Argumentationsmuster zur Verzögerung des Klimaschutzes
Deutlich häufiger als die Leugnung des Klimawandels sei inzwischen eine versuchte Verzögerung des Klimaschutzes, sagt auch Staud. Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat in einer Studie die Argumentationsmuster von Maßnahmen-Gegnern in vier Hauptkategorien unterteilt: "Da werden zum Beispiel Verantwortung umgelenkt, unzureichende Maßnahmen propagiert, negative Nebenfolgen betont oder behauptet, es nütze doch sowieso alles nichts mehr." Staud fasst diese Kategorien zusammen mit dem Slogan: "Nicht ich. Nicht jetzt. Nicht so. Zu spät."
Die Weitergabe der Verantwortung am Klimawandel ist ein sehr häufig zu sehendes Narrativ. "Es wird zum Beispiel auf andere Länder mit höheren CO2-Emissionen gezeigt und gesagt, dass erst einmal diese Staaten etwas machen sollten", sagt Staud. Dieses Argumentationsmuster zeigt sich beispielsweise in der immer wiederkehrenden Behauptung, dass Deutschland weltweit betrachtet nur für einen geringen Anteil der CO2-Emissionen verantwortlich sei und daher weitere Klimaschutzmaßnahmen quasi sinnlos seien. Dies gilt jedoch für fast alle der knapp 200 Länder auf der Welt.
"Wenn alle Staaten so argumentieren würden, würde sich also gar nichts verändern," sagt Staud. Hinzu kommt, dass Deutschland mit Blick auf die Bevölkerungszahl deutlich mehr CO2 ausstößt als der weltweite Durchschnitt.
Das Warten auf neue Technologien ist ein weiteres gern angeführtes Argument. Die aktuellen Möglichkeiten an Klimaschutzmaßnahmen werden beispielsweise als nicht gut genug deklariert und für eine Beibehaltung des Status Quo plädiert, bis vermeintlich bessere Technologien verfügbar seien. Allerdings müssen die Emissionen Klimaforschern zufolge sofort drastisch gesenkt werden, um die härtesten Folgen des Klimawandels noch zu vermeiden, und nicht erst in einigen Jahrzehnten.
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Das vierte übergeordnete Argumentationsmuster ist laut MCC die Kapitulation. Demzufolge sei es ohnehin zu spät, den Klimawandel noch aufzuhalten, und man könne es daher auch bleiben lassen, weitere Klimaschutzmaßnahmen zu implementieren. Das sei jedoch vollkommen falsch, sagt Staud. Jedes Zehntelgrad vermiedene Erhitzung sei wichtig. Wenn das 1,5-Grad-Limit gerissen wird, seien etwa zwei Grad immer noch besser als 2,1 Grad. Jedenfalls sei es niemals zu spät, Emissionen zu senken.
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Insgesamt sind laut Staud jedoch psychologische Gründe am wichtigsten, wenn man verstehen will, warum Menschen die Klimakrise leugnen oder Klimaschutzmaßnahmen verzögern wollen. "Es ist attraktiv, sich die Argumente zu suchen, die gegen weitreichende Maßnahmen sprechen. Denn der Realität ins Auge zu blicken, ist bei dem Thema sehr unbequem." Niemand wolle ein böser Mensch sein - doch sage man Leuten, dass sie das Klima zerstören, bewirke das zunächst eine Abwehrreaktion.
"Es ist kein Defizit an Informationen, dass einige Menschen weiterhin Klimaschutzmaßnahmen verzögern", sagt Staud. "Es sind psychologische Faktoren, die da eine Rolle spielen. Daher wird es immer Menschen geben, die es nicht wahrhaben wollen - vielleicht weil sie vom Status Quo profitieren, vielleicht weil ihr Selbstbild sonst ins Wanken geraten würde, vielleicht weil sie unterbewusst Angstgefühle vermeiden wollen, die sich einstellen würden, sobald sie die Realität der Klimakrise akzeptieren."